Wintervögel füttern, aber richtig!

Ein Gastbeitrag von Dr. rer. nat. Timm Reinhardt, Biologe und Naturschutzberater

Mit den kalten Temperaturen und der Aussicht auf Frost und Schnee kommt auch die Zeit, in der viele Garten- und Balkonfreunde den Vögeln Futter anbieten möchten. Auf diese Weise lassen sich nicht nur die häufigsten Wintergäste und auch einige seltenere Arten gut beobachten. Gerade Kindern – und manch einem Erwachsenen – bieten die winterlichen Nahrungsgäste eine gute Gelegenheit, die heimischen Arten kennenzulernen und zu bestimmen.

Damit der Besuch an einer Futterstation jedoch für die Vögel und Vogelbestände nicht zum Problem wird, sollte beim Vögel füttern im Winter auf drei grundsätzliche Dinge geachtet werden.

Hygiene

Vogelfutter sollte nur so angeboten werden, dass es von oben gegen Nässe geschützt ist und die Vögel nicht im Futter herumlaufen und keinesfalls in das Futter hineinkoten können. Andernfalls kann das Futter insbesondere bei wärmerem Winterwetter schnell verderben und Krankheitserreger können sich zwischen Vögeln gleicher und sogar verschiedener Arten leicht verbreiten.

  • Besonders gut geeignet sind hängende Futterspender, an denen die Vögel seitlich an das Futter gelangen und außerhalb ansitzen. Auch Futterspender, in denen das Futter jeweils nur in kleinen Mengen freigegeben wird, haben sich bewährt.
  • Die Futterspender sind am besten vor jeder neuen Befüllung mit heißem Wasser zu reinigen. Das Vogelfutter muss trocken, kühl und vor Nagetieren sicher aufbewahrt werden.
  • Sollten kranke oder tote Vögel an oder in der Nähe der Futterstation gefunden werden, muss alles Futter sofort abgeräumt und die Station gereinigt werden, um einen Krankheitsausbruch bei gesunden Vögeln zu verhindern

Sicherheit

Futterstationen sollten so gestaltet sein, dass sie für ihre Besucher nicht zur Falle werden.

  • „Meisenknödel“ sollten immer ohne Plastiknetz angeboten werden. Kleinvögel können sich darin (wie auch in Plastikschnüren) verheddern und zu Schaden kommen.
  • Wenn Glasscheiben oder Spiegelflächen in der Nähe sind, sollten diese für die Vögel sichtbar gemacht werden. Abdeckungen, Beklebungen und Gegenstände vor der Scheibe können hilfreich sein. Wenn ein „Entschärfen“ der Glasfläche für Vögel nicht möglich ist, sollte die Futterstation weniger als einen Meter Abstand zur Scheibe haben. Auf diese Weise können vom Futter auffliegende Vögel nicht mit hoher Geschwindigkeit gegen die Scheibe fliegen.
  • Futterstationen sollten immer etwas erhöht angebracht sein (ca. 1,5–2 Meter über dem Boden), um den Besuchern Sicherheit während des Fressens zu geben. Kleinvögel werden dann an der Futterstation nicht durch eine Katze oder Ratte überrascht. Manche baumbewohnende Vogelart, z. B. Kleiber und Buntspecht, lässt sich ungern an zu tief stehenden Futterstationen blicken.
  • Es sollte ein gewisser Abstand zu dichter Vegetation bestehen. Einige Greifvogelarten wie Habicht und Sperber, seltener sogar Waldkäuze, haben gelernt, Futterstationen auch zu nutzen, um selbst durch den Winter zu kommen. Sie benötigen aber einen Ansitz in der Nähe, um einen Überraschungsangriff starten zu können. Je weiter dieser Sitz von der Futterstelle entfernt ist, desto mehr Zeit bleibt den Kleinvögeln, zu reagieren – und Ihnen ermöglicht das interessante Beobachtungen der natürlichen Zusammenhänge.

Naturschutz

Mit wenigen Ausnahmen finden sich an Futterstationen die häufigen und wenig spezialisierten Vogelarten ein. Der Nutzen des Winterfütterns für den Vogelschutz ist deshalb in der Regel nicht sehr groß – mit Ausnahme für einzelne Vogelarten wie den Hausperling, der standorttreu ist und in den letzten Jahren große Bestandseinbußen zu verzeichnen hatte. Wer vielen heimischen Vögeln wirklich helfen möchte, sorgt im Garten auch über das Winterfutter hinaus für ein ganzjähriges natürliches Nahrungsangebot in Form von Beerensträuchern, Wildpflanzensamen und Insekten sowie Niststätten und Verstecken.

  • Während des Winters sollte das Futter in für die Vögel vorhersagbarer Gleichmäßigkeit zur Verfügung gestellt werden. Haben sich die Vögel einmal an die Verfügbarkeit von Futter an einem sicheren Platz gewöhnt, kehren sie insbesondere in Notzeiten zu diesem zurück. In solchen, etwa in einer starken Kältephase, kann das Ausbleiben von Futter an der Station fatale Folgen haben.
  • Manche Gäste der Futterstationen kommen aus anderen Brutgebieten zu uns (selbst, wenn es sich um zumindest teilweise lokal vorkommende Arten handelt, sogenannte Teilzieher). So besuchen uns jährlich im Winter z. B. skandinavische Buchfinken, Dompfaffe, Amseln und Zaunkönige und auch Vögel aus höheren Lagen kommen in unsere Gärten, wenn es kälter wird. Diese Vögel kennen die Umgebung nicht und laufen besonders Gefahr, im Verkehr oder an Glasflächen zu Schaden zu kommen. Die zuvor genannten Aspekte sind für diese Vögel besonders wichtig.
  • Fernglas bereit halten! Manchmal treten seltene Zugvögel wie Seidenschwänze, Erlenzeisige oder Bergfinken an unseren Futterstationen auf. Die ornithologischen Vereinigungen freuen sich bei solchen Vögeln immer über eine Meldung, ebenso, wenn man beringte Vögel am Futterhaus beobachten und ihre Ringnummer ablesen kann. Für die Meldung eines Beringten oder markierten Wildvogels bekommt man idR Informationen  zur bisherigen Lebensgeschichte Tieres zugesandt (https://euring.org/)
  • Wenn der Frühling zurückkehrt, sollte die Fütterung langsam eingestellt werden. Ansonsten müssen zu viele Vögel um die wenigen Brutplätze und die natürliche Nahrung konkurrieren. Dies kann besonders für jene Vogelarten ein Problem sein, die erst im Frühjahr aus ihren Winterquartieren zurückkehren.
  • Die Vogelarten, die sich im Winter von Sämereien und Fettfutter ernähren, benötigen zur Aufzucht ihrer Jungen meist Insekten und andere Wirbellose. Falsches Futter kann für die Jungen gefährlich sein, insbesondere, wenn die Altvögel es an die Küken verfüttern.

Generell gilt, dass Wildvögel durch das Füttern niemals dazu trainiert werden sollen, ihre natürliche Fluchtdistanz aufzugeben. Futtergaben aus der menschlichen Hand bringen die Vögel dazu, unvorsichtig zu werden und auch auf natürliche Bedrohungen nicht mehr richtig zu reagieren.